45. Bericht – Die Nützlichkeit einer Panne


Auf dem Weg in das bedeutungsvolle Hampi empfiehlt man einen Abstecher über Chitradurga, einen historischen Ort mit bedeutungsvoller Festung. Um die Stadt liegen mächtige Felsbrocken-Berge; an der südöstlichen Einfahrt zur Stadt reihen sich mehrere Studien-Fakultäten.

Bei meiner Ankunft ist es später Nachmittag. Die Suche nach einem Internet-Café ist auch hier nicht einfach; man schickt mich gutmeinend hin und her. Da die Sonne untergeht, setze ich Prioritäten und kümmere mich um ein Nachtlager. Vor der Pre-University of Education liegt eine überdachte Einfahrt. Ein paar seriöse Männer stehen dort und sie meinen, dass es möglich sei, hier zu übernachten. Ich danke ihnen. Da sie an dieser Schule arbeiten, mache ich ihnen den Vorschlag, am nächsten Tag als Interviewpartner in Sachen „Erziehung“ zur Verfügung zu stehen, da ich nicht nur 20 Jahre als Lehrer sondern davor auch als Erzieher arbeitete. Darum könnte ein Informationsaustausch mit einer passenden Klasse interessant sein. Die Idee scheint zu gefallen; ich solle sie am nächsten Morgen dem Prinzipal vorschlagen.

Da es noch zu früh zum Schlafen ist und mein Handy-Akku leer ist, mache ich mich auf die Suche nach einer vertrauenswürdigen Laden, an denen ich mein Handy über Nacht aufladen lassen könne. Der Drogist auf der anderen Straßenseite ist einverstanden, aber plötzlich meint er, dass das Geschäft morgen wegen eines Feiertages geschlossen sei. Paar Schritte weiter in einer Apotheke das gleiche Problem, aber immerhin hat sie bis 10 geöffnet – vielleicht reicht das zum vollen Aufladen.

Zurück an dem Pre-University-Gebäude kommen plötzlich zwei Motorradfahrer mit ihren blendenden Scheinwerfern dicht an mich herangefahren und stoppen. Sie hatten zuvor meine Frage nach dem Schlafplatz gehört. Der erste übergibt mir eine Stofftüte mit warmem Abendessen, der andere zwei Wasserflaschen. Sie verabschieden sich sehr höflich. Das Essen ist köstlich. Ich verschlinge es. Ich glaube, manchmal nicht zu merken, dass mein Körper mehr Essen verträgt.

Kurz vor 10 bin ich an der Apotheke. Das Handy ist erst bei 81%. Da sie morgen auch geschlossen hat, nehme ich das Handy mit und suche in der Querstraße nach einem anderen Laden, der morgen geöffnet hat. Ein kleiner Lebensmittelladen hat noch auf und man sieht dem Händler an, dass auch er ein guter Mensch ist, dem ich mein Handy anvertrauen kann. Am nächsten Morgen um 10 könne ich es abholen; allerdings wird jemand anderer aus seiner Familie im Laden sein.

- Am nächsten Morgen die erste Enttäuschung: In der Pre-University gibt man mir zu verstehen, dass diese Woche Examen stattfinden und ein fachlicher Austausch erst in der folgenden Woche möglich sei. Dann das nächste Problem: In der Querstraße habe ich Schwierigkeiten, den Laden mit meinem Handy zu finden. An der gefühlt richtigen Stelle ist zwar ein Lebensmittelladen, aber der ältere Mann dahinter versteht kein Englisch und scheint nichts von meinem Handy zu wissen. Na, das ist nun wieder eine Geschichte ... aber ich beobachte, dass es in meinem Bauch keine Knoten deswegen gibt. Aus dem Nebenhaus kommt ein jüngerer Mann, der etwas Englisch kann. Er holt gleich seine Kollegin dazu, die mein Problem ohne Problem versteht. Als sie es dem Ladenbesitzer in der Kannada-Sprache erklärt, kommt aus dem Haus gegenüber eine Frau mittleren Alters. In ihren Händen trägt sie ein Handy samt Ladegerät. Lächelnd bedanke ich mich ... wusste ich doch, dass auch dieses Problemchen gut enden wird. Aber, das gute Ende geht nun erst richtig los. Denn die junge Dolmetscherin und ihr Kollege laden mich zu einem Tee ins Büro ein. Es ist eigentlich eine Praxis zur Förderung behinderter Menschen.

Ihr Chef Nagaraj ist ein umtriebiger und guter Mann mit einer wunderbaren Menscheneinstellung: „So, wie ich einen anderen Menschen ansehe, wird er sich mir gegenüber verhalten: Sehe ich ihn mit Misstrauen an, wird er mir misstrauisch begegnen; sehe ich ihn vertrauensvoll an, wird er mir vertrauen. Das Gegenüber spiegelt meine innere Einstellung.“ - Später werden wir über weitere pädagogische Themen reden.

Natürlich stellen er und seine drei Mitarbeiter Fragen zu dieser Pilgerreise. „Ich bemühe mich um innere Reinigung und um das Spüren der Gegenwart Gottes in mir“ sind Worte, die meine Zuhörer meist etwas zum Nachdenken bringt. Heute mündet es aber in eine spontane Einladung, das Therapeuten-Team auf einer monatlichen Hospitationsfahrt zu drei abgelegenen Schulen zu begleiten, an denen auch Behinderte mit unterrichtet werden. Überall erfahre ich warme Freundlichkeit und höflichen Respekt; das Angebot einer Zaubereivorführung wird überall unkompliziert eingebaut. An der Secondary-School (14-16 Jahre) staune ich über den technischen Standard: In mehreren Klassenzimmern stehen Computer und Projektoren.

Als wir am späten Nachmittag in die Praxis zurückkomme, bietet man mir auch einen Laptop für das Updaten meiner Visum-Verlängerung an. Später wird in der Praxis noch zusammen Abend gegessen. Ich habe das Gefühl, dass die Kollegen sich hier wie eine Familie verstehen. Tatsächlich wohnen zwei auch Tür an Tür nebeneinander. Sogar Nagaraj kommt am nächsten Morgen und nutzt wie ich bei einem das Bad mit warmem Wasser.

VIshrutha Hitha & Dr. Hemantharaju
Man bietet mir an, am Nachmittag nochmal den Laptop für das Schreiben im Blog zu nutzen. In der Zwischenzeit kann ich Sehenswürdigkeiten der Stadt ansehen. Ganze 300 Meter komme ich weit, wo mich an einem Teestand einer der gestrigen Lehrer von der Pre-University anspricht. Er möchte es doch versuchen, einen Austausch zu organisieren. Sein sehr kompetenter Kollege unterstützt das Anliegen beim Prinzipal. 


Eineinhalb Stunden später sitzen 150 junge Erwachsene vor uns. Einige beeindrucken mich mit gehaltvollen Fragen: „Was möchte ich aus Indiens spirituellem Reichtum mitnehmen? Und wie möchte ich dieses später in Deutschland wiederspiegeln?"

„Einen klugen Menschen erkennt man an seinen Antworten; 

einen Weisen erkennt man an seinen Fragen.“

 

 

 


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