46. Bericht - Pädagogische Impulse


Nagaraj leitet hier in Chitradurga das 5-köpfige Team zur Förderung von Menschen mit unterschiedlichen Befähigungen. Seit dreißig Jahren ist er im Dienst für Behinderte und hat ein klares Menschenbild. Wenn er in der Umgebung Lehrertraining zu Inklusion gibt, ist es ihm wichtig, dass die Behinderten nicht zwangsläufig bevorzugt behandelt werden. Statt dessen sollen die Lehrer lernen, die Behinderten angemessen herauszufordern.- Es ist interessant, ihm zuzuhören und sich über Auffälligkeiten bei Kindern auszutauschen. Am Vormittag hatte ich nämlich zum ersten Mal in Indien ein Kind erlebt, das klare Konzentrationsschwierigkeiten zeigte und im Verhalten auffällig war. Im Gespräch mit Nagaraj denke ich, dass es ein ADHS-Kind war. 



Ersteller: fizkes 
Credit: Getty Images/iStockphoto
Aber, gibt es das in Indien? Nagaraj bejaht das und stellt eine steigende Tendenz in Verbindung mit gestressten Müttern fest. Wenn eine schwangere Frau arbeitet und dabei psychisch stark belastet wird, wirkt sich das auch auf das neue Leben im Bauch aus. Auch wenn das Kind geboren ist und die Mutter ihm nicht genug Wärme und entspannte Ruhe vermittelt, löst das Unruhe und Unsicherheit beim Kind aus. Der Vater kann in dieser Anfangsphase zwar einiges ausgleichen, aber das Kind ist im Leib der Mutter entstanden und kennt die Stimmungen und Schwingungen der Mutter bestens. Daher, wenn er Kinder mit solchen Auffälligkeiten zugewiesen bekommt, hört er sich erstmal die Gewohnheiten der Eltern an. Nagaraj guckt betroffen, als ich ihm erzähle, dass viele Eltern in Deutschland ADHS einfach mit pharmazeutischen Mitteln behandeln. Ich erinnere mich an einen hochinteressanten ARTE-TV-Beitrag, in dem betroffene Eltern sich anfangs nicht selber hinterfragen konnten und sich in hilfreichen Arme der Pharmaindustrie stürzte. Erst gegen Ende des Beitrags dämmerte es zuminderst der Mutter, dass das Problem des Kindes ihre eigenen Probleme wiederspiegeln. 

 

„Ändere dich selbst, und du änderst die Welt.“

 

Aber eines fällt mir an den interessanten Erklärungen Nagarajs auf: Er spricht und weiß so viel, dass das Zuhören irgendwann anstrengend wird. Es ist so, als ob er alles weiß und er mir alles erklären wollte. Das tut mir nicht gut. Jeder Mensch will blühen und für das Gegenüber wichtig sein. Auch ein kleines oder behindertes Kind braucht die Erfahrung, dass es seine Eltern, Lehrer, Zuhörer wirklich beschenkt hat. 

Warum finde ich das bei meinem Gegenüber grade so anstrengend? Sehe ich mein eigenes Probelm darin? Ob ich selber so bin und andere Leute zutexte? 

Trotz der Früchte auf diesem Pilgerweg: Ich suche immer noch viel Selbstbestätigung durch tolle Ideen, Worte, edle Taten, Zaubereivorführungen ... ! - Das oberflächliche EGO strampelt und kämpft ums Überleben. Dabei haben wir die schöneren Selbsterfahrungen doch in uns und müssten uns nur in die richtige Richtung drehen.


"Jenseits des Denkens liegt eine große Freude in uns bereit."


Einmal spricht Nagaraj auch über Großeltern, die allmählich auch in Indien an Bedeutung in der Familie verlieren, weil karriereorientierte Kinder mit ihren eigenen Familie woanders wohnen. Und wie in meiner Heimat geschieht auch hier etwas Erschreckendes: Die Eltern sprechen in Gegenwart ihrer Kinder kaum noch positiv über die Großeltern. „Aber ...“ es platzt aus mir heraus, dass es töricht von den Eltern sei, wenn sie vor ihren Kindern die eigenen Eltern schlecht aussehen lassen. 

Quelle:  brigitte.de
Denn es ist klar: Wenn die Kinder sehen, dass ihre Eltern die Großeltern beleidigen, dann werden sie das verinnerlichen. Und wenn nun die Eltern alt und schwach werden, werden sie von ihren eigenen Kindern Beleidigungen und Enttäuschungen zu hören bekommen. Also geben wir unseren Kindern doch besser positive Beispiele, damit es uns später selber gut geht. Zum Beispiel könnte man abmachen, dass bei einem Besuch im Hause der Großeltern alle, also auch die starken Eltern, sich an die Spielregeln der Großeltern halten. Wenn die Großeltern aber zu Besuch kommen, gelten die Regeln der Eltern. Ist das nicht praktikabel? – Nagaraj weiß noch nicht, was er davon hält.

 




 


Kommentare

  1. Gute und interessante Gedanken und Ideen, lieber Ralf.

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