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Es werden Posts vom April, 2022 angezeigt.

56. Bericht - Nützliche Arbeiten

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Nicht alles funktioniert gut im schönen Indien. Aber das ist irgendwie gut für mich! Steinplatte und Boden: DAVOR: Steinplatte und Boden: DANACH: Seit einigen Wochen nämlich habe ich regelmäßig ein Päckchen Rasierklingen bei mir, um z.B. in Tempeln Farbflecken vom Boden wegzukratzen. Auf glatten Flächen klappt das ganz einfach und da die Maler bei ihrer Arbeit offenbar selten etwas abkleben, findet man viele Gelegenheiten, um Farbflecken wegzukratzen. Zwar ist die Haut meiner Fingerkuppen permanent leicht zerschnitten, aber das ist ein kleines Problem. Ehrlich gesagt ist diese Arbeit sehr befriedigend, weil man schnell schöne Ergebnisse sieht und man einen bedeutsamen Ort verschönert hat. Immer öfter meditiere ich beim Farbfleckenkratzen: So, wie man mit Hilfe von Vipassana die inneren unreinen Flecken ansehen und ihr Verschwinden erleben kann, so ähnlich möchte ich äußere Unreinheiten entdecken, sie bewusst wahrnehmen und verschwinden sehen. Meistens geschieht das Kratzen anonym; manc

55. Bericht - Gute Tat

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Nicht nur der Reisverschluss am schönen, gestickten Brustbeutel ist eingerissen, nun ist auch noch der Kordel abgerissen. Gott-sei-Dank findet man fast in jedem Ort einen Schneider. Oft benutzen sie noch gußeiserne Nähmaschinen mit Fußpedal und Schwungrad. Auch der stille Mann sitzt hinter einer solchen. Er macht mit dem Kopf eine kurze Bewegung, dass ich ihm den Beutel bringen soll. Er hat eine ruhige-vornehm-schöne Ausstrahlung. Allerdings, und das sieht doch komisch aus, hat sein rechtes Brillenglas einen dicken Sprung. Während er sich geschickt an die Reparatur des Brustbeutels macht, denke ich, dass das gesprungene Brillenglas nicht gut sein kann. Das könnte evtl. neue Sehfehler auslösen oder Kopfweh verursachen oder ... Eigentlich wollte ich nicht negativ denken, aber hier ist ein Problem offensichtlich. Der gute Mann ist schon fertig mit dem Brustbeutel. Eine gute Arbeit hat er gemacht. Sein Lohn – er verlangt nichts. Aber ich gebe ihm trotzdem etwas. Bereitwillig probiert er

54. Bericht - Schlafplätze

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Schlafplatz: Unten eine  große Plastikplane, oben eine Yogamatte,da- zwischen eine dünne Decke. Vestis dienen als Bettlaken - hinten ein kleines Kopfkissen. Es klingt kaum vorstellbar, aber es ist wahr: Ich sorge mich nicht mehr um Schlafstätten. Jeden Abend finde ich einen Tempel, eine Schule, ein öffentliches Gebäude, wo ich sicher, gut und tief schlafen kann. Manchmal laden mich wohlhabendere Leute zu sich nach Hause ein. Aber ich spüre, dass solche netten und durchaus komfortablen Einladungen irgendwie belasten. Ist es eine heimlich Angst bei den Gastgebern oder bei mir, dass ich deren Vertrauen missbrauchen könnte?   Oder sind es die unterschiedlichen kulturellen Erwartungen an einen so fremden Gast?  Ehrlich, draußen auf meiner Matte schlafen ist prima. Wichtig ist lediglich, dass es weder zu kalt noch zu heiß ist. Wenn es dann irgendwo noch einen Wasserhahn oder eine Badegelegenheit in der Nähe gibt – prima. Manchmal warnen mich Leute, weil Diebe in der Nacht etwas stehlen

53. Bericht - Bijapur

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Bijapur  heißt heute wieder  Vijajapur.  Die Stadt gehört zu denen, die jetzt wieder so heißen wie vor der englischen Kolonialherrschaft. Die aktuelle Regierung unter Premierminister MODI fördert das hinduistische Selbstverständnis. Einerseits freut mich das, damit Indien sich besser von westlicher Einflussnahme abgrenzen kann. Aber nicht alle profitieren davon: Schon viele Male wurde ich an einer christlichen Einrichtung als Pilger willkommen geheißen, aber nie für lange, weil die Verantwortlichen mit Schwierigkeiten von Seiten der Regierung rechnen müssen. In islamischen Moscheen hatte ich bisher gar kein Glück und wurde immer ganz schnell mit meinen Anfragen abgewiesen.  Dabei gründet sich der Ruhm der Stadt ganz wesentlich auf ihre muslimischen Herrschaftszeiten und die vielen bedeutenden Baudenkmäler haben entsprechende Wurzeln. GOL GUMBAZ: Grabstätte für Sultan Adil Shah I BARA KAMAN: Grabstätte für Ali Adil Shah II IBRAHIM RAUZA: Grabstätte für  Adil Shah II Die Stadt ist auch h

52. Bericht - Aggressionen 2

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Gol Gumbaz, muslimisches Mausoleum Hunderte Leute strömen auf die Eingangshalle des Gol Gumbaz zu.   Das Mausoleum besteht aus einem schlichten Innenbau mit vier großen Ecktürmen.  Von der Kuppel herunter hört man eigenartige Schreie. Sie entstehen durch den Echoeffekt der damals viertgrößten Kuppel in der Architekturgeschichte.   7-stöckige Ecktürme Der vordere Eckturm dient als Aufgang. Eine große Menschentraube versucht, durch eine schmale Türöffnung in das Treppenhaus zu gelangen. Aber es staut sich, weil alle gleichzeitig rein wollen. Ein gutmütiger Aufseher bemüht sich vergebens, Ordnung in die Menschengruppe zu bringen. Geordnetes Schlangenstehen funktioniert in Indien eher selten. Selber stehe ich auf der "richtigen" Schlangenseite und beobachte mit Bauchgrummeln, wie sich auf der falschen Seite neu hinzukommende Leute wieder nach vorne drängeln.  Da drückt es bei mir hinten. Ein jüngeres Mädchen quetscht sich zwischen mir und der Wand hindurch. Gut, ich lasse es gesc

51. Bericht - Aggressionen 1

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  Vijayapura im Norden Karnatakas. Auf Fotos sieht Gol Gumbaz  bescheiden aus, Aber nun erkennt man die gigantischen Ausmaße  des Mausoleums des muslimischen Herrschers Adil Shah I. Ich stehe vorm Ticket-Schalter und  sehe, dass auch hier die Eintrittspreise für Ausländer 12x höher sind als für Inder. Das ist auf meinem Pilgerweg schon oft vorgekommen. Und ich finde das unfair, weil ... -          ... weil in Deutschland für Ausländer die gleichen Eintrittspreise wie für Einheimische gelten (manchmal gibt es sogar Ermäßigungen) -          ... weil ich während meiner Lehrtätigkeit am Goethe-Institut Bangalore genau das gleiche Stundenhonorar bekommen hatte wie die Einheimischen und damals schon oft mehr bezahlten musste, aber nie mehr bekam -          ... weil ich 12x teurer einfach übertrieben gewinnorientiert finde -          ... weil 300 Rupien anstatt 25 Rupien eindeutig zu hoch für mein Pilger-Budget ist. Auf dem Pilgerweg stand ich schon mehrere Mal an solch einem Ticketschalter u

50. Bericht - 2. Verfolgung

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  Frauen vor der Einweihung eines neuen Hauses Der erste Abend in der Schule dieses Dorfes war sehr schön: Man hatte mir ein Klassenzimmer mit Vorhängeschloss zur Verfügung gestellt, Essen und Trinken gebracht, eine Waschgelegenheit organisiert, einige besondere Menschen hatten interessante Fragen, das Zaubern wurde wohlwollend angenommen und am Morgen sahen mir einige Kinder beim Yoga zu und imitiierten Asanas.   Nun lädt man mich sogar ein, des Dorffestes wegen einen weiteren Tag zu bleiben. Am Abend werden Dorfleute sogar ein Theaterstück über die Konsequenzen von negativen Verhaltensweisen zeigen. Schön, auch als Erzieher und Lehrer nehme ich das Angebot gerne an. Am Vormittag sehe ich allerlei Festvorbereitungen im Dorf zu. Für den frühen Abend vereinbaren wir eine größere Zaubereivorführung. Und die Kinder werden informiert, am nächsen Morgen beim Yoga mitzumachen und den Sonnengruß zu lernen. Um die Mittagszeit herum meditiere und ruhe ich im Klassenzimmer. Einige Kinder k

49. Bericht - 1. Verfolgung

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Babu und seine Familie sind mir auf dem bisherigen Weg am meisten ans Herz gewachsen. Weil sein Wohnort auf dem Weg zum Bodhi Zendo liegt, beschließen wir einen erneuten Besuch. Aber beim Ankommen in seinem Trainingscenter wirkt Babu nur halb interessiert. Er beschäftigt sich am Laptop mit einer online-Zahlung und reagiert minimalistisch auf meine Wiedersehensfreude. Es ist offensichtlich, dass etwas nicht stimmt. Er schläft sogar mit dem Kopf auf dem Schreibtisch ein. Er gesteht, dass er etwas krank ist. Er tut mir Leid. Ich ahne, dass er sich nun selbstlos weiterquälen wird, um mir trotzdem einen angenehmen Aufenthalt zu bescheren. Ich beschließe, nicht lange zu bleiben. Eigentlich hatte er für das Wochenende einen erneuten Ausflug mit einigen seiner Schüler geplant, aber nein, das wird keine Freude werden. Seine Frau wirkt etwas ratlos in dieser Situation. Als die Tochter aus der Schule kommt und ebenfalls angeschlagen wirkt, teile ich ihnen meine Entscheidung mit, besser ei

48. Bericht - Sandalen

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  Das erste Paar Sandalen In diesen billigen Sandalen konnte ich nie bequem reinschlupfen. Links blockierte oft der Steg zwischen den großen Zehen. Aber die Füße gewöhnten sich daran und ich wurde dankbar für sie.  Zweimal ging ich mit ihnen für 10 Rupien (ca. 12 Cent) zum Schuster und sie taugen immer noch.   Kurz vor Shravabelagola reißt zum dritten Mal ein Riemen. Man könnte es nochmal repaireren, aber da man   an diesem jainischen Pilgerort Shravanabelagola sowieso barfuß geht, nehme ich Abschied. An einer Gedenksätte reinige ich sie  so gut es geht, danke und segne sie und lasse sie dort stehen.   Nach zwei Tagen, auf der anderen Seite des Pilgerortes, schlüpfe ich in die neuen Sandalen. Eine halbe Woche lang kann ich gut darin gehen, plötzlich ist die Haut an beiden Füßen unter dem mittleren Riemen abgeschürft. Es schmerzt. Ich probiere wieder barfuß; aber im offenen Gelände ist es manchmal sehr steinig oder es liegen Dornenzweige auf dem Weg. Ich stopfe etwas Watte unter d

47. Bericht - Eine kleine Prophezeiung

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Am Straßenrand werden kleine Schalen mit Obstsalat angeboten. Der Verkäufer nennt einen Preis, bei dem ich instinktiv zurücktrete. Zwei Männer kommen aber gerade hinzu  und bemerken meine Reaktion. Der ältere lächelt und bezahlt die Obstschale für mich. Wir vernaschen sie zu dritt. Währenddessen erzählt der Mann, dass er Pastor sei. Ich freue mich, da es in dieser Gegend kaum Christen gibt und bitte darum, seine Kirche besuchen zu können. Der jüngere fährt mich hin.    Beim Betreten des Kirchenraums staune ich: Eine riesengroße Halle, in der nichts ist. Gar nichts. Vorne in der linken Ecke steht ein kleines Percussion-Instrument und an der Stirnseite ist die indische Fahne an die Wand gemalt - das ist alles. Wo und wie soll man hier Gott erfahren? Beim Schreiben gerade wird mir aber klar: Wenn man nicht weiß, dass man Gott in sich selber erfahren muss, wird man ihn auch nicht außerhalb von sich erfahren. Auch nicht in einer schönen Kirche. ] Zwei Stunden danach taucht auf einem