61. Bericht - Unruhen in der Nacht


 Ich bin müde an diesem Abend. Ein kleiner Tempel bietet sich an. Ein paar Jungen spielen Kricket davor. Da kein Mann in Sichtweise ist, frage ich den ältesten Jungen, ob es möglich ist, vorm Tempel zu schlafen. Der Bub aber, keck und selbstbewusst, lehnt meine Bitte ab: Nein, ich dürfe da nicht schlafen! Ich bin einerseits überrascht, spüre aber, dass das noch nicht das letzte Wort war. - Letztlich lässt man mich dort schlafen. - Spät in der Nacht aber tönen Schreie von einer Frau an mein Ohr: Mal klagend, mal vorwurfsvoll, mal wirr. Am frühen Morgen werden die Schreie lauter. Auf dem Weg zum Wasser lassen entdecke ich die Frau. Sie scheint geistig sehr verwirrt zu sein und hat die Nacht im Freien verbracht. – Es ist das erste Mal in Indien, dass ich so einen verwirrt-ausgesetzten Menschen erlebe. An sonsten erlebe ich wunderbare Großfamilien, in denen jeder seinen Platz hat.

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Ein anderes Mal war ich spät an einem abgelegenen Tempel angekommen. Zunächst kann ich keinen um Erlaubnis fragen, aber später kommen 2 Security-Leute, die ihr Einverständnis geben. Sie schlafen sogar selbst dort vorm Tempel. Noch später hört man von weitem eine Mantra singende Männergruppe. Sie haben alle Schöpfgefässe für ein Ritual am nächsten Tag an einem berühmten Pilgerort dabei, aber nun wollen sie hier auch die Nacht verbringen. Sie legen sich nieder aber schlafen nicht, sondern einige reden oder machen Quatsch. Die Security-Leute ermahnen mehrmals, was aber nur kurzzeitig hilft. Manche werfen sogar die Schöpfgefässe hin-und-her und haben Spaß. – Naja, wie in meinem Land haben auch in Indien die Pilger unterschiedliche Motivationen.

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Ab Maharashtra ist es kein Problem mehr, in Tempeln schlafen zu dürfen. Aber es hat seinen Preis. Sehr oft kommen nach dem Abendessen Männer und Frauen in den Tempeln und singen und musizieren und beten dabei. Je lauter, desto besser. Manchmal wurde ich zum Mitmachen eingeladen, begleitete manche Lieder auch mit Zimbeln. Aber meist bin ich müde und möchte schlafen. – Nach einigen Malen gewöhnte ich mich daran. Es sind gute Schwingungen. Einmal wachte ich morgens auf und fühlte mich richtig selig.




 


 

 


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