AKTUALISIERT: 32. Bericht - 5.1.22 - Zurück auf der Straße & vielerlei Begegnungen
Das neue Jahr hat begonnen. Ich bin wieder als Pilger auf der Straße.
Der Tag beginnt früh mit Gesängen aus dem Tempellautsprecher. Ich bin ca. 6 km östlich von Ottopalam.
Aber ich finde keine Toilette, die schon geöffnet hat. Man schickt mich solange herum, bis es nicht mehr geht. Danach ist Wäsche waschen angesagt. Auch das kann eine sinnspendende Übung sein.
Das nächste Ziel auf diesem langen Weg ist Kozhikode, eine größere Stadt an der Westküste. Im Westen kennt man sie besser als Kalikut. Vor mehr als 500 Jahren landet hier Vasco de Gama. Ihm gelang das, woran Kolumbus wenige Jahre zuvor gescheitert war: Den Seeweg nach Indien entdecken.
Auf dem Weg dorthin stehen mehrere Kirchen und Konvente. An manchen empfängt man mich sehr generös, an anderen misstrauisch.
Da kommt ein Mann mit stummer Mine auf mich zu. Er streckt seine Hand aus. Ich denke, es ist ein Bettler. Aber sein Gesicht wirkt klar und intelligent mit großer Brille. Er nimmt meine Hand, dreht sie leicht und hält den Handrücken an seine Stirn. Und geht weiter.
Fußball ist wichtig in Kerala. Man sieht öfters Trikots von Paris Saint Germain. Ein etwa Zwölfjähriger hält auf seinem Rad an und lädt abends zum Spiel seiner Mannschaft ein.
Drei junge Männer fahren kichernd zusammen auf einem Moped vorbei; dann halten sie und fragen nach 10 Rupien; jetzt kicher ich und gebe sie ihnen. Beim Weiterfahren kichern sie wieder. Erinnert mich irgendwie an Lausbubenstreiche.
Beim Mittagessen lerne ich Hari kennen; er empfiehlt als nächstes Übernachtungsquartier einen Tempel in der nächst größeren Stadt - es ist aber noch ein weiter Weg.
Am Straßenrand steht ein Mann. Er hat mich offenbar von Weitem beobachtet. Als ich an ihm vorbeigehen möchte, fragt er, ob ich ein paar Minuten Zeit hätte. Er erklärt, dass er Lehrer hier am Gymnasium sei und vorhin an mir vorbeigefahren sei. Er hatte von seinem Rektor schon die Erlaubnis eingeholt, mich für ein Interview ins Kollegium einzuladen.
Gegen Nachmittag habe ich gut 15 Kilometer zurückgelegt. Endlich kommt ein Tee-Stand. Einige Leute sitzen oder stehen davor. Ein Mann hat ein interessanes, lächelndes Gesicht und er macht eine einladende Handbewegung rüber auf meine Straßenseite. Ich bestelle dann Tee und einen Snack - und habe die Idee, auch einen Teller von diesen kleinen frittierten Teigbällchen zu bestellen und sie einfach der netten Runde anzubieten. - Als ich bezahlen und weitergehen möchte, heißt es, dass jemand schon die ganze Rechnung übernommen hat.
Später überholt mich in seinem Auto Hari, der Mann vom Mittagessen, der den Tipp mit der Übernachtung im Tempel gegeben hatte. Er fügt hinzu, dass ich bei ihm übernachten könnte, wenn es im Tempel Probleme gäbe - und gibt seine Telefonnummer.
Es ist längst dunkel, als ich nach 24 Kilometer in der Stadt ankomme. Und wieder begegnet mir Hari. Er weist den Weg zum Tempel. Und kurz vorm Tempel ist er nochmal da - so ein Zufall!
Im Tempel werde ich angewiesen, meinen Oberkörper zu entblößen, um in die Gebäude eintreten zu dürfen. Da begehe ich einen strategischen Fehler: Anstatt mit freiem Oberkörper einfach einzutreten, frage ich erst noch einen der Verantwortlichen nach der Übernachtungsgelegenheit.
Diese Anfrage löst fragende Gesichter aus. Plötzlich könne ich doch nicht mehr in den Tempel eintreten, weil das nur für Inder erlaubt sei - das sei Beschluss der Kerala-Regierung. Dann: Auch das Gepäck müsse nach draußen in den Außenbezirk gebracht werden. - Das mit dem Übernachten geht aber offenbar, man stellt mir den verantwortlichen Priester vor. Weil aber jemand mit einem höheren Verantwortlichen telefoniert, geht plötzlich gar nichts mehr; ich muss wieder gehen.
Ein paar Minuten später holt mich Hari ab. Es sind nur paar Minuten bis zu sich. Stolz präsentiert er sein schönes Eigenheim am Hang, stellt mich seiner netten Familie mit den kleinen Kindern vor und bringt gutes Essen und kümmert sich großartig.
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