36. Bericht 12.1.22 - Die Polizei nimmt mich mit

Die schmale asphaltierte Straße führt kilometerweit  neben dem Strand unter Palmen entlang. Keine Touristengegend, Nicht einmal Tee-Stände für die Einheimischen.

Gegen Sonnenuntergang ein Tempel. Der junge Priester weist mich an, das Obergewand auszuziehen, bevor ich das Innere des Tempels betrete. Ich weiß fast nichts, wie ein Hindu sich in einem Tempel traditionell verhält - welche Rituale vollzogen werden. So verbeuge ich mich vor einigen Gottheiten und beachte die Gegenstände, die ihnen in die Hände oder zu Füßen gelegt wurden. Aber das reicht zur Meditation: Sich die Eigenschaften dieser Götter und Gegenstände innerlich vorzustellen - sie Wirklichkeit in einem selber werden zu lassen.

Eine Lagermöglichkeit kann mir der Priester allerdings nicht für die Nacht anbieten. Nebenan in einer kleinen Halle, die zum Tempel gehört, sei es ohne Probleme möglich. - Da es vom Strand her sehr windig ist, braucht es einige Tüfteleien, um den Liegeplatz gegen die kühlen Böen zu schützen.

Entlang der schmalen Straße ist noch viel los. EInige Jugendliche beginnen mit militärischen Übungen. Der Jüngste ist vielleicht zwölf; der Leiter selbst mag noch keine achtzehn sein. Aber er drillt seine Kameraden gekonnt mit einer Mischung aus klassischem Exerzieren, Kampfsportelementen und religiösen Anbetungshaltungen.

Ein paar Leute sprechen mich mit den üblichen Fragen nach Herkunft und Namen an. Einer meint, dass es nicht erlaubt sei, in dieser Halle zu schlafen. Entspannt reagiere ich, dass der Priester es erlaubt hätte. Später warnt mich aber nochmal jemand. Komisch.

Und dann kommt ein Polizeiauto. Zwei Uniformierter und ein Ziviler steigen aus. Ich komme ihnen höflich entgegen; ihre Reaktion und Fragen sind nüchtern - Freundlichkeit ist keine spürbar. Auch mein Hinweis, dass der Priester es erlaubt hätte, löst keine angenehmere Reaktion bei ihnen aus. Statt dessen solle ich meine Sachen zusammenpacken und mitkommen.

Was auch immer nun an Ärger oder Unannehmlichkeiten entstehen wird - ich folge ihren Anweisungen ohne größere innere Verkrampfung. Eine gewisse Grundentspannung scheint nun Dauerzustand zu werden.

Um die Polizei hat sich eine größere Menschengruppe angesammelt. Plötzlich macht sich doch Ärger in mir bemerkbar. Auf die Seite zu denen, die mir wohlgesonnen waren, zeige ich eine dankbare Geste. Einem reiche ich auch die Hand - er wollte mir zum Frühstück eine Kokosnuss vorbeibringen. Zur anderen Seite hin aber, wo auch der steht, der gesagt hatte, dass das Übernachten verboten sei, frage ich, warum sie die Polizei gerufen hätten: Ich sei kein schlechter Mensch und der Priester hätte es erlaubt. - Einige Gesichter sehen bedröppelt aus.

Als wir losfahren, sagt ein Beamter, dass sie mich in ein Hotel bringen. Ich protestiere, weil ich dafür kein Budget habe. Er antwortet, dass sie sich um die Rechnung kümmern würden. Aber - !?!

Fünf Minuten später stehen wir in der Rezeption eines Ferienresorts. Ich soll meine Daten ins Gästebuch eintragen. Der Manager und einer der Polizisten machen ein Foto vom Reisepass. Nach Visa frägt keiner.

Nochmal fünf Minuten später stehen wir in einem komfortablen A/C-Zimmer mit Veranda, Garderobe und heißem Wasser im Bad.

Ich teile den Beamten mit, dass der Platz besser ist als der in der windigen Tempel-Halle. Zum Abschied machen sie ein Selfie.

Ich überlege, ob  zuvor der ausgedrückte Ärger den Leuten gegenüber womöglich falsch war. Intuitiv steigt ein Gedanke auf, dass sie sogar Geld für ein besseres Übernachtungslager zusammengelegt haben könnten ...

 


Kommentare

  1. Gut zu lesen, dass es Dir weiterhin gut geht. Bleib behütet. Ronald

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