39.Bericht - 22.1.22 - Wayanad & Kirchen

"God´s own Land!" - so macht Kerala Werbung für sich. 

Im Küstenstreifen meint man, dass ich auf dem Weg nach Mysore unbedingt durch Wayanad müsse, - es sei eine noch schönere Landschaft als das übrige Kerala. 

Die Tage, in denen ich durch diese wirklich schöne Landschaft ziehe, sind wirklich von schönen Umgebungen geprägt. Kerala bedeutet "Land der Palmen"; im Wayanad dagegen ist die Vegetation satter und vielfältiger.

Vom weiteren Fußweg nach Mysore wird aber mehrfach abgeraten. Es gibt auf dem Weg Elefanten und Tiger. Ich versuche die Leute zu beruhigen und scherze: "Kein Problem, ich bin Vegetarier!". Aber ihr kurzes Lächeln wird von Sorge abgelöst - die Tiger hätten schon heimisches Vieh angegriffen. Natürlich habe ich gehörigen Respekt vor freilaufenden Elefanten und Tigern - aber ... viel realistischer im Land der Kokospalmen scheint mir, dass mir mal eine dicke Kokosnuss auf den Kopf fällt und die Suche nach einem Schlafplatz überfüssig macht. 

Immerhin: Der katholische Priester, der mich ebenfalls auf die Gefahren der freilaufenden Wildtiere hinweist, gibt zu verstehen, dass das Risiko einer unangenehmen Begegnung eher unwahrscheinlich ist. 

Apropos katholisch: Der Wayanad ist die kirchlichste Gegend (21,3 % Christen) auf meinem bisherigen Pilgerweg.  In jedem Ort sehe ich ein Gotteshaus. Und noch besser: Die Pfarrer sind gastfreundich. Bis auf ein Mal habe ich die letzten fünf Nächten immer im Schutz oder mit Hilfe der katholischen Kirche verbracht. Allerdings ganz unterschiedlich:

Alter Pilger an der Klosterpforte
- Gemälde v. Wassili Perow

- Am Nachmittag des ersten Tages taucht mitten in der ruhigen Natur eine große Kirche auf. Nach einer Meditation frage ich am Pfarrhaus nach einem Schlafplatz. Es ist noch früh. Aber der Pfarrer ist hilfsbereit. Er spricht sogar etwas Deutsch und hat eine leckere deutsche Süßigkeit. Als Schlafplatz empfiehlt er allerdings einen noch besseren Platz. Einen christlichen Ashram, der 10 Kilometer weiter ist.

- Am gleichen Abend, es ist schon lange dunkel, komme ich etwas abgehetzt an diesem Ashram an. Es ist immer das gleiche: Wenn ich mir eine feste Tagesetappe setzte, fühle ich einen Leistungsdruck, der mich nur wenig gegenwärtig sein lässt. Der ältere Priester aber, der mich an der Pforte begrüßt, strahlt eine friedich-schöne Harmonie aus, die sich direkt auf mich auswirkt. Sein jüngerer Mitbruder kommt hinzu; sie stellen einige Fragen und wollen den Pass sehen. Insgesamt alles recht unkompliziert. Abendessen und Frühstück inklusive. Früh morgens auch Teilnahme an der Heiligen Messe und ein schöner Abschiedssegen.

- Die nächste Nacht: Da ist schon wieder eine Kirche. Der Pfarrer hört und sieht mich an, ist ruhig und freundlich. Er fragt nach nichts weiter, sondern zeigt das Gästezimmer, wo ich mir ein frisch gemachtes Bett auswählen kann. Erst am frühen Morgen kommt er gucken und informiert, dass ich die Tür hinter mir zumachen soll, weil er schon weg müsse. - Ein Meister der vertrauensvollen Unkompliziertheit.

- Sonntag Abend: Am Eingang der etwas größeren Stadt steht ein großes Hinweisschild: "Bishop`s House." Gut, dann gehe ich mal bei denen fragen. - Die schöne Zufahrtsstraße teilt sich und führt zu verschiedenen Einrichtungen. Ich wähle den Weg zum Haupthaus. Auf dem Weg dorthin sieht mich ein junger Inder, der bei meinem Anblick fast eine Gesichtslähmung zu bekommen scheint. Ich spreche ihn nett an, aber er versteht vermutlich nichts. Immerhin läuft er weg und scheint Andere zu informieren. Kurzum: Nach wenigen Minuten stehe ich mit drei nicht unbedeutenden Mitarbeitern der Diözese zusammen. Anstatt ihr Basketballspieltraining zu beenden, hören sich die drei Priester meine Geschichte an. Der Eine, der Bischofsvikar, hat ein leicht süffisantes Grinsen im Gesicht, als ich aufrecht die Frage nach dem Geimpftsein beantworte. Der Andere, der Prokurator, kümmert sich um die verzwickte Visumsgeschichte. Er telefoniert mit seinem Bruder, der bei der Polizei arbeitet. Zwischendurch Tee und Gebäck von einer feinen Ordensschwester, die 25 Jahre in Deutschland gewirkt hatte.

Am Ende muss ich gehen, eine Übernachtung ist hier möglich. Weil es hier der Bischofssitz ist, achten die Behörden peinlichst darauf, dass alles mir rechten Dingen zugeht. Ich kann das verstehen - und schäme mich jetzt sogar, weil ich unbedacht und keck in die bischöfliche Hochburg einmarschiert war. - Aber die Übernachtung: Der Prokurator hat schon in einem Hotel angerufen und ein Zimmer reserviert. Er fährt mich hin; es ist ganz in der Nähe. Auf dem Zimmer besteht er darauf, mir eine rosa Spende (der größte indische Geldschein) zuzustecken. Ich wehre ab: "Das ist das Geld von armen Witwen!" - Er lächelt, theologisch habe ich keine Chance gegen ihn. - Danke Gott. Segen für diese Diözese.

- Die nächste Nacht: Das hohe Hinweisschild am dunklen Straßenrand zu dieser Kirche muss man eigentlich übersehen. Irgendwie wende ich doch den Kopf hoch und entdecke es und gehe hin. Eine große Baustelle. Das Hauptschiff ist aufgegrissen, der Altarraum ist augeräumt, drumherum Gerüste. Links das Pfarrhaus. Man sieht viel Licht und Fahrzeuge stehen davor. Da tue ich etwas, was ich eigentlich nicht mehr tun wollte: Nicht zu fragen! - Ich richte mich vor den Stufen des Altares ein und habe nicht wirklich ein schlechtes Gewissen. Denn: Wenn ich jetzt nach 22 Uhr am Pfarrhaus anklopfe, gibt es vermutlich viel Überlegen & Erwägen. Das erspare ich den Leuten dort im Haus. Risiko?! Dass einer von ihnen nachts in die Kirchenbaustelle kommt,ist unwahrscheinlich. Und wenn, naja, dann werde ich seinem erschreckten Gesicht engegenlächeln, ihn mit friedlicher Freundlichkeit um Entschuldigung bitten und werde ihm mit fast reinem Gemüt alles erklären. 

Es wird eine entspannte Übernachtung, obwohl spät abends und früh morgens Leute den Kirchvorplatz überqueren.

 









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