49. Bericht - 1. Verfolgung


Babu und seine Familie sind mir auf dem bisherigen Weg am meisten ans Herz gewachsen. Weil sein Wohnort auf dem Weg zum Bodhi Zendo liegt, beschließen wir einen erneuten Besuch.

Aber beim Ankommen in seinem Trainingscenter wirkt Babu nur halb interessiert. Er beschäftigt sich am Laptop mit einer online-Zahlung und reagiert minimalistisch auf meine Wiedersehensfreude. Es ist offensichtlich, dass etwas nicht stimmt. Er schläft sogar mit dem Kopf auf dem Schreibtisch ein. Er gesteht, dass er etwas krank ist.

Er tut mir Leid. Ich ahne, dass er sich nun selbstlos weiterquälen wird, um mir trotzdem einen angenehmen Aufenthalt zu bescheren. Ich beschließe, nicht lange zu bleiben. Eigentlich hatte er für das Wochenende einen erneuten Ausflug mit einigen seiner Schüler geplant, aber nein, das wird keine Freude werden.

Seine Frau wirkt etwas ratlos in dieser Situation. Als die Tochter aus der Schule kommt und ebenfalls angeschlagen wirkt, teile ich ihnen meine Entscheidung mit, besser ein anderes Mal wieder zu kommen und jetzt besser zu gehen. Aber das lassen sie nicht gelten. Babu meint, dass er morgen beim Ausflug wieder fit sei.

Am nächsten Morgen ist Babu aber nicht fit und er braucht offensichtlich Erholung - ich werde gehen! - Mit lieber, körperlicher Gewalt versucht er mich zurückzuhalten. Innerlich spüre ich freundschaftliche Konsequenz und setze mich durch. Er braucht Erholung! Der beste Dienst ist nun, ihn in Ruhe zu lassen.

Er versucht mich am Aufschultern des Gepäckes zu hindern, was ihm nicht gelingt. Es ist gerade nicht schön, aber ich spüre ihn mir freundschaftliche Verantwortung.

Mit meinem Gepäck marschiere ich durch sein Wohnviertel. Er fährt auf seinem Moped neben mir her und versucht mich zum Bleiben zu nötigen. Mehrere Nachbarn werden Zeuge dieses eigenartigen Marsches. Aber ich wechsle mehrmals schnell die Richtung, springe im geeigneten Moment zwischen Büschen hindurch und verstecke mich in einer kleinen Gasse, wo ich eine Weile abwarten werde.

Aber jemand hat mich wohl gesehen und verraten: Plötzlich steht Babu wieder mit seinem Moped da.

Wir müssen beide lachen. Er aber weniger als ich. Und er bittet mich unbedingt, zu bleiben. Mein Weggehen würde sonst einen dauerhaften Schmerz in ihm hinterlassen. Wieder stehen einige Anwohner dabei und beobachten. Oh Gott – er tut mir nun noch mehr Leid. Er braucht doch Erholung ... ich resigniere und werde selber schwach. Etwas apathisch steige ich hinten auf sein Moped und fahre mit ihm zurück.

Es wird keinen Ausflug an diesem Tag mehr geben. Ich nutze die Zeit bis zum Abend, um bei einem Arzt nochmals meine Hernia checken zu lassen und eine neue Kurta zu kaufen. Babu besteht darauf, mich zu begleiten. Ich lasse nur noch geschehen. Aber ich muss zugeben, dass es sehr gut für mich ist, dass er mich zu einem anderen Arzt bringt, als geplant war: Dessen Untersuchung und Diagnose beruhigen mich sehr.

Bei der Suche nach einem Bekleidungsgeschäft für die Kurta trifft er einige seiner ehemaligen IT-Studenten wieder. Ich werde Zeuge, mit welcher Ehre und vornehmen Freundlichkeit sie ihn in ihrem Geschäft begrüßen – ich bin beeindruckt. Offenbar haben Lehrer in Indien einen viel höheren Stellenwert als in der westlichen Welt.

Der Juniorchef lässt für den Gast seines geschätzten Lehrers sogar Kurtas aus der Privatwohnung herbringen.

Babu deutet später an, warum es ihm nicht gut geht. Es sind nicht viele seiner ehemaligen Schüler, die ihm gegenüber so eine Dankbarkeit wie in diesem Geschäft zeigen. Manche haben es beruflich dank seiner Unterstützung offenbar weit gebracht, aber interessieren sich nicht mehr für ihn. Das tut ihm im Gemüt weh.

Dazu kommt, dass die Corona-Restriktionen einen großen Knick in sein florierendes Studiencentrum gebracht hatten.

„Gott, gib diesem guten Menschen neue Hoffnung und freudige Perspektiven!“


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