50. Bericht - 2. Verfolgung

 

Frauen vor der Einweihung eines neuen Hauses

Der erste Abend in der Schule dieses Dorfes war sehr schön: Man hatte mir ein Klassenzimmer mit Vorhängeschloss zur Verfügung gestellt, Essen und Trinken gebracht, eine Waschgelegenheit organisiert, einige besondere Menschen hatten interessante Fragen, das Zaubern wurde wohlwollend angenommen und am Morgen sahen mir einige Kinder beim Yoga zu und imitiierten Asanas.  

Nun lädt man mich sogar ein, des Dorffestes wegen einen weiteren Tag zu bleiben. Am Abend werden Dorfleute sogar ein Theaterstück über die Konsequenzen von negativen Verhaltensweisen zeigen.

Schön, auch als Erzieher und Lehrer nehme ich das Angebot gerne an. Am Vormittag sehe ich allerlei Festvorbereitungen im Dorf zu. Für den frühen Abend vereinbaren wir eine größere Zaubereivorführung. Und die Kinder werden informiert, am nächsen Morgen beim Yoga mitzumachen und den Sonnengruß zu lernen.

Um die Mittagszeit herum meditiere und ruhe ich im Klassenzimmer. Einige Kinder kommen auf neckische Ideen, stoßen die Tür von außen auf und rennen weg wenn man hinguckt.

Anfangs ignoriere ich alles, bleibe ganz entspannt. Ein Erwachsener kommt mal vorbei und maßregelt die Kinder. Aber nach paar Minuten sind die Kinder wieder da. - Das absichtliche Provozieren geht weiter. In mir spüre ich, dass das grade nicht gut läuft und ich irgendetwas machen sollte. Zwar bin ich innerlich noch entspannt, aber die Erfahrung und meine Begrenztheit erinnern mich, dass das nicht mehr lange gut gehen kann.

Nach paar Minuten beginnen einige auch am Fenster rumzualbern. Langsam werde ich doch verärgert. Ich trete heraus und sage den Kindern, dass ich gehen werde, wenn sie nicht aufhören.

Es hilft nicht. Der Junge am Fenster steigert sich sogar noch und produziert laute, unästhetische Geräusche. Er fordert sogar mein Handy.

In mir beginnt Empörung und eine böse Fantasie aufzusteigen. Ich stelle mir vor, wie ich ihm tatsächlich das Handy ans vergitterte Fenster halte, ihn dann aber an der Kehle packe und mich räche!

Auch an der Tür bleibt es unruhig. Noch einmal kommt ein Mann und maßregelt die Kinder. Zwar ist es grade ruhig, aber innerlich habe ich schon Abschied genommen. - Ich öffne nun selbst die Tür und sehe am anderen Ende des Schulhofs die Kinder in meine Richtung guckend.

Ich sage nichts, beginne aber, meine Sachen zu packen. Es ist eine sehr positive, gute Erfahrung, wenn man klare, verbindliche Entscheidungen trifft. Ich fühle mich fast schon wohl, obwohl die Kinder nun stumm und brav beim Verpacken der Sachen zugucken.

Als ich das Gepäck schultere, kommen zwei Erwachsene hinzu. Sie äußern freundliche Versuche, mich zum Bleiben zu bewegen, aber ich lass mich nur kurz aufhalten. - Einige der Kinder bitten eindringlicher zu bleiben, auch einige der Frechen. Aber nein, entschieden ist entschieden. Es geht mir gut.

Beim Weitergehen durch das Festdorf bieten Leute an Kiosken Essen und Chai an; ich muss nirgendwo bezahlen. Überall ist fröhliche Geschäftigkeit im Gange. Manche kennen mich wohl schon und weisen auf den Festumzug und das Theaterprogramm hin.

Nach paar hundert Metern kommen zum ersten Mal Kinder hinter mir her gelaufen. Sie bringen einen Beutel Buttermilch. Eine liebe Geste – und Kräuterbuttermilch ist in dieser Hitze köstlich. Sie bitten inniglich, wieder zurückzukommen, aber das Nein bleibt – ich gehe weiter.

Paar Minuten sind erneut rufende Kinderstimmen hinter mir zu hören. Zwei von den Übeltätern sind dabei. Sie bitten wieder zu bleiben und übergeben eine kleine Flasche Saft. Einige gucken sehr aufrichtig und rühren mein Herz an. Aber nein, mit leichter Klarheit erkläre ich mein Weitergehen.  

Und: Meine Entscheidung solle ein Beitrag fürs abendliche Theaterstück sein, in dem die Konsequenzen schlechter Verhaltensweisen dargestellt werden sollen: "Wenn man einen Gast ärgert, geht er." – Mit dieser Botschaft war es dann von meiner Seite.

Aber ich denke drüber nach: Ist es nicht vielmehr die Schuld der Eltern, wenn sie ihren Kindern kein Vorbild für höflicheres Verhalten bieten? Was können die Kinder dafür, dass sie sich so verhalten? - Aber vielleicht bin auch ich selbst schuld: Am Abend zuvor hatte ich mich mit ersten Zaubereien bei den Kindern in Szene gesetzt und weitere Aktivitäten angekündigt. Es ist doch klar, dass Kinder neugierig-aufgeregt sind und irgendwie auf sich selber aufmerksam machen möchten. Man hat Verantwortung, wenn man Leute "heiß" macht.

Und noch mehr Selbstkritik: Offenbar scheint meine Ausstrahlung zum Provozieren eingeladen zu haben. Wie wahrhaftig war ich also?

Hm. Ich denke, erstmal für mich selber den richtigen Lernstoff aus dieser Problemsituation ziehen zu müssen.

 

Kommentare