47. Bericht - Eine kleine Prophezeiung


Am Straßenrand werden kleine Schalen mit Obstsalat angeboten. Der Verkäufer nennt einen Preis, bei dem ich instinktiv zurücktrete. Zwei Männer kommen aber gerade hinzu  und bemerken meine Reaktion. Der ältere lächelt und bezahlt die Obstschale für mich. Wir vernaschen sie zu dritt. Währenddessen erzählt der Mann, dass er Pastor sei. Ich freue mich, da es in dieser Gegend kaum Christen gibt und bitte darum, seine Kirche besuchen zu können. Der jüngere fährt mich hin. 

 

Beim Betreten des Kirchenraums staune ich: Eine riesengroße Halle, in der nichts ist. Gar nichts. Vorne in der linken Ecke steht ein kleines Percussion-Instrument und an der Stirnseite ist die indische Fahne an die Wand gemalt - das ist alles. Wo und wie soll man hier Gott erfahren? Beim Schreiben gerade wird mir aber klar: Wenn man nicht weiß, dass man Gott in sich selber erfahren muss, wird man ihn auch nicht außerhalb von sich erfahren. Auch nicht in einer schönen Kirche.



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Zwei Stunden danach taucht auf einem Nebenweg eine schöne Kirche auf. Ich gehe um die Ecke und schaue nach dem Eingang. Im Hof kläffen zwei seltsame Hunde: Der eine ist so fett, dass es mich wundert, dass er noch bellen kann. Der andere ist fröhlich-aufgeregt und dreht sich unaufhörlich um sich selber.

 

Ein ernsthaft aussehender Mann kommt raus und beruhigt sie. Es ist wieder einmal ein Pfingst-Gemeinde-Pastor. Er öffnet mir die Kirche, wo einem eine schöne Stimmung entgegenweht. Zwar hatte ich eben geschrieben, dass man Gott nirgendwo erfahren kann, wenn man Ihn nicht in sich selber entdeckt, aber von einer friedlichen Umgebung geht eine Anziehungskraft aus, die die Sehnsucht nach der eigenen inneren Heiligkeit wecken kann.

 

An den Wänden hängen Tafeln mit Bibelzitaten. Da alles in Kannada* ist, verstehe ich nichts. Der Pastor geht ins Haus zurück.


Eine halbe Stunde sitze ich nun und versuche, etwas Heiliges in der inneren Stille wahrzunehmen. 

Anders gesagt: Ich verbiete mir Gedanken an das Gestern und Morgen. 

Anders gesagt: Ich versuche nicht zu denken, um endlich das beglückende Nichts in mir zu erfahren. 

Anders gesagt: Ich will Gott in der eigenen Tiefe erspüren. 

Anders gesagt: Ich konzentriere mich ganz auf das Hier & Jetzt.

Anders gesagt ... ach, alle Bemühungen helfen nicht. Und doch müssen sie sein, um ans Ende seiner Ego-Kräfte zu kommen und dadurch offen für das Wunderbare werden.

Aber noch schlimmer: Ich bin schon wieder voll im Denken drin und bin an der eigenen inneren Ruhe total vorbeigerauscht. Statt innerlich ruhig zu sein, rede ich mir meist nur ein, dass ich ruhig sein sollte.

Der Pastor kommt. Er bietet Milchtee an. Ich bitte ihn, den Bibelspruch auf der Frontseite des Altares zu übersetzen. Es ist der Vers: "Wir aber predigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit." (1 Kor. 1:23) Dieser Vers hatte das Leben des damaligen Staatsbeamten verändert. Zuvor ging es ihm materiell und familiär durchaus gut. Innerlich aber wurde seine Traurigkeit immer deutlicher. Dann hat er dank dieses Verses großen Trost in der Weisheit des Sterbens gefunden. Er ist Pastor geworden und ich muss sagen, dass er sowohl spirituell als auch menschlich klar, ruhig, freundlich, hilfsbereit und authentisch wirkt. 

 

Am nächsten Morgen nimmt er mich früh in die Kirche mit und hält eine online-Andacht. Ich verstehe kein Wort, spüre aber seine lebendigmachende Energie.

 

Nach dem Frühstück legt er mir die Hände zum Segen auf den Kopf. Beim Abschied drückt er mir mehrere Geldscheine in die Hände. Er sieht mich an und meint, dass ich auf meinem Weg noch sehr wichtig werden würde.

Beim Weitergehen bemerke ich, dass sich etwas in mir verändert hat: Das Vertrauen in das Göttliche in mir ist heute spürbarer. 

Was auch immer kommen wird, es soll kommen. Es kann nun auch Großes sein. Das eventuelle Scheitern wird nur eine schmerzhafte Variante des Vertrauens sein.

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*Die Landessprache im südindischen Bundesstaat Karnataka

 


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