69. Bericht - Und immer wieder geschehen unglaubliche Überraschungen ...
Auf der melancholischen Strecke Richtung pakistanische Grenze werden mir noch schöne Momente geschenkt. Ich freue mich an einer Mauer vor einer Schule, die schön mit einem Schnellzug bemalt ist. Ich schmunzele über einen (gewollten?) Rechtschreibfehler: „We are supper fast!“
Und als ob es sich in dieser dünn besiedelten Gegend rumgesprochen hätte, bietet man mir überall Milchtee an und verhält sich freundlich-interessiert. Ich freue mich besonders an der ruhigen-weisen Art der alten Männer.
Es ist schön, im Vertrauen auf das Göttliche unterwegs zu sein. Ich fühle mich in diesem wunderbaren Land Indien sehr gesegnet durch die vielen, vielen guten Menschen und durch die spirituelle Atmosphäre, die wirksam auf diesem Land liegt.
Meine innere Entwicklung geht voran. Ich fühle mich nun öfters in den gegenwärtigen Moment eingetaucht und erlebe tiefere Schichten des Daseins. Ich hoffe, eines Tages nicht nur von den vielen inneren Knoten und Negativitäten befreit zu sein, sondern auch permanent in diesem tieferen Daseinszustand zu verweilen.
Pater Amasamy, der Gründer
und ehemalige Leiter des Bodhi Zendos, sagte einmal, dass eine erleuchtete
Person nicht automatisch menschlich reif ist. Um reif zu sein, muss man vor allem lernen, mit ungewollten, widrigen Situationen entspannt und vertrauensvoll umzugehen. Die kleinen Erfolgserlebnisse in Stressmomenten bestätigen, dass dieser Weg richtig ist. Wenn alles nach unserer Pfeife läuft - das ist weder menschliche Reife noch Lebenskunst.
Darum habe ich schon gedacht, dass man/ich alle möglichen Leidsituationen des Lebens an mir selber erfahren muss, um reif und angstfrei zu werden. Ist das eine sinnvolle, gesunde Einstellung?
Wir werden sehen.
Am Nachmittag dieses Tages, als ich auf einer Wiese sitze und mit einem Freund telefoniere, tauchen zwei Männer auf. Der eine ist etwas jünger, der andere älter. Sie warten geduldig, bis das Telefonat zu Ende ist. Dann kommen sie und sprechen mich an.
Sie geben sich als Undercover-Polizisten zu erkennen und wollen meinen Pass sehen. Sie erklären, dass ich mich in einer Region aufhalte, die für Ausländer verboten ist. Ich entschuldige mich, weil ich das nicht wusste. Auch erkläre ich ihnen die Sache mit dem Visum, das längst abgelaufen ist. Sie scheinen zufrieden. Ich verspreche ihnen, meine Reiseroute zu ändern und am nächsten Tag die Region zu verlassen.
Am Abend aber, als ich in dem berühmten Ashram mit dem einflussreichen Maharaj ankomme, werde ich von einem älteren Mann unfreundlich begrüßt, der knurrt etwas von „Pass“. Kein Problem, ich gehe erstmal zur Pooja, dem lauten Verehrungsritual im Tempel.
Am Ende spreche ich den Tempelpriester wegen der Übernachtung an. Der verweist mich an den knorrigen Alten, der der berühmte Maharaj sein soll, und dass ich mich tief vor ihm verbeugen soll.
Das mache ich dann auch alles; der Maharaj scheint zufrieden und gewährt die Unterkunft. Ich bringe ihm meinen Pass, für den er sich nun nicht mehr interessiert.
Dafür möchte ihn etwas später jemand anders sehen: Nach dem Essen, taucht eine Gruppe von Männern auf; manche in Polizeiuniform, manche in zivil. Sie stellen viele Fragen. Sie kontrollieren nicht nur meinen Pass, sondern sie behalten ihn. Als sie gehen und es Zeit zum Schlafen ist, stellt einer von Maharajs Leuten sein Bett vor meinen Schlafraum – er muss in der Nacht auf mich aufpassen. Nach paar Minuten verriegelt jemand die Tür von außen. – Ich bin gefangen.
Am nächsten Morgen werde ich von mehreren Polizisten in die Distrikthauptstadt gefahren. Wir warten in einem Vernehmungsraum. Als andere Beamte kommen, verlassen die Polizisten den Raum. Nach paar Minuten sitzen 12 indische Geheimdienstmitarbeiter um mich herum. 4 von ihnen führen Protokoll, die anderen schießen ihre Fragen z.T. wie Pfeile ab. Mit ihren Fragen springen sie hin und her; manchmal kann ich gar nicht zu Ende antworten, weil einer schon etwas ganz anderes wissen will.
Natürlich bin ich sehr
aufgeregt. Aber es gibt mehrere kurze Momente, in denen ich mich innerlich
ruhig fühle und die Situation nicht genieße, aber mit Interesse wertungsfrei beobachte. Sehr entspannend!
Nach ein oder zwei Stunden
gönnen sie mir eine Pause. Hinterher erfahre ich, dass man mich als „harmlos“ entlarvt, also kein Spion für Pakistan und auch kein Feind Indiens bin.
Am nächsten Tag bringt man mich wieder auf diese Behörde. Dieses Mal gibt es kein Interview, sondern man übt Druck auf mich aus, dass ich ein Flugticket buche und in den nächsten Tagen Indien verlassen soll. Auch stellen sie den Antrag auf eine sofortige Exit-Permit, die Ausreisegenehmigung. Alternativ bieten sie mir ein indisches Gefängnis an. Ich bin sooo traurig.
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