70. Bericht - Die Geldstrafe
Es sind nur noch 2 Tage bis zum Abflug. Noch immer gibt es keine Informationen über die Ausreiseerlaubnis.
Am Abend kommt Jalam, der Polizist, der für meine rundum-Bewachung im Tempel-Gefängnis zu sorgen hat. Er sagt, ich solle meine E-Mail checken. – Tatsächlich, jetzt ist eine Nachricht von der FRRO eingegangen. Man gewährt mir die Ausreise, wenn die festgeschriebene Strafe bezahlt ist.
Ich kontrolliere die Höhe der Strafe. In der letzten Woche, bei der Vernehmung, sagte man, dass die Strafe ggf. entfallen würde oder nur gering sei. Nun sehe ich den Betrag – und bin schockiert: Ich muss 50.000 Rupien zahlen – 600 Euro. Das ist schon wieder eine extrem unangenehme Überraschung!! Außerdem habe ich das Geld nicht!
Ich lege die Hände aufs Gesicht, schließe die Augen und beobachte, wie es im Inneren aussieht. Gut, dass ich diese Situation klar in mir wahrnehme. Es ist komisch – positiv komisch: Ich spüre, wie meine Finanzsorge sich auflöst. Statt dessen tritt eine Zuversicht: Ich werde mir auch dieses Geld ausleihen und irgendwann werde ich das Geld einfach zurückbezahlen. Es wird gehen. Sicher. Es ist kein wirkliches Problem mehr.
Jalam beginnt irgendwas zu reden, aber ich ignoriere ihn. Es geht mir innerlich gerade sehr gut und ich möchte diesen Zustand länger genießen. Mein Bauch und der Brustkorb sind ziemlich entspannt.
Jalam redet aber weiter. „There is a solution (es gibt eine Lösung!)“ So nehme ich die Hände vom Gesicht, sehe ihn an und spiele unnötig beleidigt: „Was denn! Ich brauche 50.000 Rupien. Willst du mir das Geld geben!“
Da sagt er „Not me, but the Maharaj!“- Ich bin baff – was ist das denn jetzt!?“ – Jalam erklärt ein bisschen mehr. Der Maharaj ist politisch und finanziell sehr einflussreich. Wenn ich zum ihm gehen würde, mich angemessen vor ihm verbeuge und die Situation erkläre, könnte er mir helfen!“
Es fällt mir
schwer, diese Option ausprobieren, denn ich ahne, dass es der Maharaj ist, der diesen ganzen
Schlamassel ausgelöst hatte. Mein Stolz verbietet es, bei ihm zu betteln. Aber er hat in den letzten Tagen durch kleine Gesten Respekt gezeigt. Vielleicht hat er sogar ein schlechtes Gewissen bekommen …
Ich werde es probieren. Mein gekränktes Ego darf jetzt keine Rolle spielen.
Am nächsten Morgen muss ich eine Weile vor seiner Terrasse warten. Mit Hilfe von Google-Translate und Jalam habe ich die Übersetzung meines Anliegens in Hindi vorbereitet. – Als ich zum Maharaj rein kann, spiele ich ihm die vorbereiteten Sätze vor. Sein Kopf senkt sich etwas. Am Ende aber sieht er mich kurz an und signalisiert, dass er mir helfen wird.
Aber mit dem Maharaj geht es noch weiter: In einem kleinen Zeremoniell legt er mir einen safranfarbenen Schal um, die Farbe der indischen Gottsucher. Es ist eine gewisse Ehre, mit der er Respekt ausdrückt. Er übergibt auch ein Buch und eine feine Mala, eine Gebetskette, was mir bisher noch nicht auf dieser Reise widerfahren ist. Und er bringt ein 6 Meter langes pinkes Tuch und lässt es von einem seiner Anhänger zum Turban binden.
Ein Turban!! Seit Maharashtra war das ein heimlicher Wunsch. Obendrein drückt er mir noch ein paar große Geldscheine als persönliches Geschenk in die Hand. Ein paar seiner Anhänger bringen auch noch Geld und berühren die Füße. Das schönste aber ist dieser Moment: Ich sehe den Maharaj mit gelöstem, dankbarem und neugierig-staunendem Blick länger an. Er bemerkt es und schaut zurück. Da kommt er und klopft mir laut lachend auf die Schulter.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen